News
WCAG-Barrierefreiheit: Ein Muss für Medizinprodukte

Für medizinische Angebote ist die Umsetzung der WCAG-Richtlinien nicht nur eine regulatorische Anforderung, sondern eine ethische Verpflichtung. Wir beschreiben warum, wie es geht und liefern Beispiele.

von Nadine Röderer

Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) stellen einen internationalen Standard für die Barrierefreiheit von Webinhalten dar und werden als Muss für digitale Anwendungen im Bereich der Medizinprodukte betrachtet. Ihre Umsetzung hilft dabei, sicherzustellen, dass digitale Inhalte für alle Nutzer zugänglich sind, unabhängig von ihren Fähigkeiten.

Medizinische Geräte und Software werden von einer breiten Nutzergruppe eingesetzt, die auch Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen einschließt. Eine barrierefreie Gestaltung gewährleistet z. B., dass:

  • Patientinnen und Patienten ihre Behandlungsprozesse besser verstehen und aktiv mitgestalten können.
  • Medizinisches Personal auch unter erschwerten Bedingungen (z. B. Licht, Lagerung) effizienter arbeiten kann und die Möglichkeit hat, Fehler zu reduzieren.
  • Gesundheitsdienstleister ihre Reichweite erhöhen und damit mehr Menschen erreichen können.

Weitere Vorteile, die die Bedeutung der digitalen Barrierefreiheit im Gesundheitswesen unterstreichen, finden Sie im Artikel “Bedeutung der digitalen Barrierefreiheit im Gesundheitswesen”.

Warum WCAG für Medizinprodukte?

  • Rechtliche und regulatorische Anforderungen: In vielen Ländern gibt es bereits Gesetze, die die Barrierefreiheit digitaler Anwendungen und Dienste vorschreiben, insbesondere im Gesundheitswesen. Und auch in Deutschland ist ab dem 28. Juni 2025 das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) von zahlreichen privaten Unternehmen und Dienstleistungsanbietern anzuwenden. Dabei werden die WCAG häufig als Referenzstandard verwendet, um die Einhaltung dieser Vorschriften zu prüfen. Verstöße gegen Barrierefreiheitsvorschriften können zu hohen Geldstrafen, Klagen und Imageschäden führen.
  • Ethische Verpflichtung: Barrierefreiheit fördert die Inklusion und Gleichstellung. Sie ist ein Grundrecht und ermöglicht Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe und Zugang zu wichtigen medizinischen Dienstleistungen. Die soziale Verantwortung kann sogar Wettbewerbsvorteile sichern.
  • Wirtschaftliche Vorteile: In barrierefreie Produkte zu investieren lohnt sich auf verschiedene Weise, so z. B. durch eine breitere Marktabdeckung, verbesserte Nutzererfahrungen und langfristige Kosteneffizienz. Die verbesserte Usability für alle Nutzer stärkt die Online-Präsenz und kann potenziell zu höheren Einnahmen führen.
„Die Implementierung von WCAG-Standards ist nicht nur eine regulatorische Notwendigkeit, sondern auch eine ethische Verpflichtung sowie ein Qualitätsmerkmal, das Gleichberechtigung und Vertrauen sicherstellt.“
Markus Tusche, Geschäftsführer von TWT Health

WCAG-Richtlinien und ihre Umsetzung

Die WCAG ist in verschiedene Stufen unterteilt: Level A (grundlegende Barrierefreiheit), Level AA (der meistgeforderte Standard) und Level AAA (höchste Barrierefreiheit). Für die meisten Medizinprodukte wird die Einhaltung von Level AA empfohlen, da es einen umfassenden Zugang für die meisten Nutzergruppen gewährleistet. Um eine Anwendung zu entwickeln, die den WCAG-Richtlinien Stand hält, ist dementsprechend eine sorgfältige Planung und Umsetzung erforderlich.

Beispiele für Maßnahmen nach WCAG

Wahrnehmbarkeit

Informationen und Benutzerschnittstellen müssen in einer Form bereitgestellt werden, die von den Nutzern wahrgenommen werden kann:

  • Alternativtexte: Für Bilder, Grafiken und andere nicht-textuelle Inhalte müssen aussagekräftige alternative Texte bereitgestellt werden, die von Screenreadern vorgelesen werden können.
  • Kontraste und Farbanpassungen: Der Farbkontrast zwischen Text und Hintergrund muss ausreichend hoch sein, um auch für Menschen mit Sehbehinderungen gut lesbar zu sein.
  • Zeitbasierte Medien: Für Audio- und Videoinhalte müssen Untertitel oder Transkriptionen zur Verfügung stehen.

Bedienbarkeit

Benutzer müssen in der Lage sein, Inhalte zu verstehen und zu bedienen:

  • Tastaturnavigation: Ermöglicht auch Nutzerinnen und Nutzern mit motorischen Einschränkungen die Navigation ohne Maus.
  • Zeitbegrenzungen: Für die Ausführung von Aufgaben muss ausreichend Zeit eingeräumt werden.
  • Fehlervermeidung und Behebung: Fehlermeldungen müssen klar und verständlich sein und es muss eine einfache Möglichkeit zur Korrektur geben.

Verständlichkeit

Informationen und die Bedienoberfläche müssen leicht verständlich sein:

  • Einfache Sprache: Fachbegriffe sollten vermieden oder verständlich erklärt werden.
  • Contentstruktur: Die Inhalte sollten eine klare und logische Struktur aufweisen.
  • Lesbarkeit: Die Schriftart und -größe sowie der Zeilenabstand sollten für eine gute Lesbarkeit optimiert sein.

Robustheit

Inhalte müssen robust genug sein, um mit aktuellen und zukünftigen Technologien verwendet werden zu können:

  • Kompatibilität: Die Inhalte müssen mit verschiedenen Browsern, Assistive Technologien und Geräten kompatibel sein.
  • Semantik: Der Content muss semantisch korrekt strukturiert sein, um von Assistenztechnologien richtig interpretiert werden zu können.

Zusätzliche Anforderungen für Medizinprodukte

  • Kontextbezogene Hilfe: Zu medizinischen Begriffen und Funktionen müssen spezifische Hilfen und Erklärungen bereitgestellt werden.
  • Individuelle Anpassung: Die Benutzeroberfläche sollte sich an die individuellen Bedürfnisse der Nutzer anpassen lassen (z. B. Schriftgröße, Sprachauswahl).
  • Notfallfunktionen: Wichtige Funktionen müssen auch im Falle eines Ausfalls anderer Systeme verfügbar sein.
  • Datenschutz und Sicherheit: Der Umgang mit sensiblen Patientendaten muss höchsten Sicherheitsstandards entsprechen.

Die Integration von WCAG-Standards in digitale Medizinprodukte ist nicht nur eine technische oder regulatorische Anforderung, sondern eine Verpflichtung zur Förderung von Gleichberechtigung und zur Sicherstellung einer bestmöglichen Versorgung für alle Patientinnen und Patienten. Unternehmen sollten daher proaktiv handeln, um Barrierefreiheit von Anfang an in ihre digitalen Lösungen zu integrieren und nachhaltige Werte zu schaffen. Die Umsetzung der Maßnahmen im Vorfeld ist in der Regel kostengünstiger als nachträgliche Anpassungen.

„Ein Produkt nicht von Anfang an barrierefrei zu entwickeln, ist heutzutage wirtschaftlich kaum noch sinnvoll.“
Michael Grüterich, Head of Concept & Requirements-Engineering for Medical Devices bei TWT Health

Let's Make Digital Health Happen

Mit TWT Health zu inklusiven Gesundheitslösungen – Wir unterstützen Sie auf Ihrem individuellen Weg zu einem barrierefreien Angebot.

Dann setzen Sie sich mit uns in Verbindung. Gemeinsam prüfen wir Ihre Lösungen nach o.g. Kriterien, bewerten grundlegend und liefern konkrete Handlungsempfehlungen bzw. planen die notwendigen Maßnahmen.

Wir begleiten Sie durch die vollständige Optimierung und unterstützen natürlich auch bei der Neuentwicklung barrierefreier Gesundheitslösungen.


Klingt spannend? Großartig. Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.

Nachricht senden    Beratungstermin buchen